Zeitgenössische Japanische Kunstausstellung
09.06 bis 12.08

Shakkei und Zeitgenössische Japansiche Kunst

Arbeiten von: Toshifumi Hirose (*1971, Gifu/Japan), Ken'ichiro Taniguchi (*1976, Sapporo/Japan, lebt in Berlin) und Yumi Nakata (*1984, Nara/Japan)

Shakkei („geborgene Szenierie“) ist eine Technik der

Landschaftsgestaltung in japanischen und chinesischen Gärten:

Natürliche Gegebenheiten wie Berge oder Bäume außerhalb des Gartens werden optisch als Kulisse oder Erweiterung in den Garten integriert. Die drei japanischen Künstler, Toshifumi Hirose, Ken'ichiro Taniguchi, Yumi Nakata verwenden das traditionell ostasiatische Konzept der „geliehenen Landschaft“ nun nicht für einen Garten, sondern nutzen es im Kontext der zeitgenössischen Kunst.

Auf den ersten Blick sehen sie aus wie bunte dreidimensionale Puzzles. Die Skulpturen des 1971 in Gifu/Japan geborenen und dort arbeitenden Künstlers Toshifumi Hirose, kommen verspielt daher und erweitern dabei gewohnte Seherfahrungen und Gewissheiten der Wahrnehmung.

Die Motive seiner Skulpturen entstammen der urbanen Umgebung, bevorzugte Sujets sind Architektur und der Mensch in ihr. Vor allem gewöhnliche Gebäude wie Einkaufszentren und Freizeitparks wecken Hiroses Interesse. Orte, wo Menschen für kurze Zeit zusammenkommen und schon bald wieder auseinander gehen. Orte, deren Ganzes erst dadurch entsteht, dass sich die verschiedenen Wege der Menschen kreuzen und sich miteinander zu komplexen Raum-Zeit-Gefügen verweben. Die Herausarbeitung dieser Gefüge bedeutet für Hirose die Transformation der urbanen Motive: Zunächst fotografisch festgehalten, werden die Motive zeichnerisch vereinfacht, in einzelne Flächen zerlegt, in dreidimensionale farbige Formen übersetzt, dabei in ihrer Tiefenerstreckung verändert und perspektivisch verzerrt. Die Skulpturen erscheinen so als in den Raum gebrachte, plastische Malerei und sind doch mehr: Sie ermöglichen eine ungewohnte Perspektive auf die Ausgangsmotive. Hirose spricht von der Erzeugung eines „Paradox-artigen Raums, der unter der Oberfläche kompliziert verwickelt ist“. Räumliche Tiefe wird zur bildhaften Oberfläche, Perspektivlinien erweisen sich als irreführend, der Blick in verborgene Tiefen der Oberflächen scheint möglich. Der Künstler bezieht sich dabei auf alltägliche Erfahrungen von Wahrnehmungsverschiebungen: Ein Gebäude erscheint einem bei nächtlicher Beleuchtung als ein flaches Schild, ein Baum davor wird zum Schatten. Der Blick in die verborgenen Tiefen der Oberflächen ist dabei auch ein Blick auf die Zeitachsen der Körper.

Die skulpturalen Arbeiten des in Berlin lebenden, japanischen Künstlers Ken'ichiro Taniguchi (*1976, Sapporo, lebt und arbeitet in Berlin) sind Ausdruck einer konsequenten Suche nach neuen Formen. Inspiration für die skulpturalen Werke seines seit 2000 fortlaufenden Hecomi-Study-Projekts (hecomi ist Japanisch für Vertiefung oder Aushöhlung) findet der Künstler an Orten im urbanen Raum, an denen einst makellose Oberflächen mit der Zeit marode geworden sind. Taniguchi ist fasziniert von Rissen und Brüchen an Mauerwänden und auf Böden, die sich wie winzige Canyons durch den Putz und Asphalt unserer Städte ziehen. Sind die Konturen eines interessanten Risses erst einmal mithilfe von Stift und transparenter Folie archiviert, nutzt er diese zeichnerische Schablone, um eine Kopie des Risses aus speziellem, gelbem Kunststoffplatten herzustellen. In sorgfältiger Handarbeit entsteht so ein passgenaues, positives Doppel der negativen Fehlstelle, das in einem letzten Schritt in kleinere Bestandteile zerlegt und durch Scharniere zu einzigartigen Skulpturen zusammengefügt wird. Für das jüngere City Study-Projekt arbeitet Taniguchi buchstäblich mit anderen Maßstäben. Hier dienen nicht Risse im Asphalt, sondern weit darüber hinaus die Strukturen ganzer Städte wie Barcelona, London oder Hamburg als Formvorlage: Die Grenze zwischen der gebauten Stadt und der umgebenden Natur wird definiert und so die besondere Form der Stadt nachgezeichnet.

Yumi Nakata (*1984, Nara, lebt und arbeitet in Nara, Japan) beschäftigt sich in ihrer Ölmalerei intensiv mit dem Selbstporträt sowie seiner Geschichte und dessen potentieller Zukunft. Im Mittelpunkt steht die Rolle des/r Künstler*s*in als kreativ schaffendes Individuum. Ist das Selbst heute noch eine Voraussetzung für Malerei? Lässt sich das Ich – etwa durch die Anwendung äußerer Regelsysteme – vom Malprozess trennen? In ihren Arbeiten bricht die Künstlerin vehement mit den Regeln des klassischen Selbstporträts, stellt dieses sozusagen auf den Kopf und bringt dabei das Gleichgewicht ihrer Bilder immer wieder gezielt aus der Balance. Nakata geht soweit, dass ihre Arbeiten äußerlich nichts mehr mit konventionellen Selbstbildnissen gemein haben. Seit 2014 arbeitet die Künstlerin an der „Background of Background“. Diese umfasst Kombinationen aus Ölmalerei auf Leinwand mit dahinter platzierten, großflächigen Inkjet-Drucken. Sie schneidet Fotografien aus ihrem Alltag, klebt diese in lebensgroße Abzüge und verwendet sie als "Hintergründe" für Dioramenräume. Hintergrund und Vordergrund verlieren ihre übliche Funktion. Die Rolle der Wand als Bedeutungsträger im Kontext der Präsentation von Kunst wird hier neu ausgelotet.

Veranstalter*in:  Mikiko Sato Gallery
Ausstellungszeitraum bis zum 12. August verlängert
Termin: 09.06 bis 12.08, Di bis Sa 12 - 18 Uhr
Vernissage am 09. 6. ab 19 Uhr; Sondertermine schauen Sie bitte auf www.mikikosatogallery.com
Vernissage:  09.06.2023 19:00 Uhr
Eintrittspreise / Teilnahmegebühren:  Eintritt frei
Ort: Mikiko Sato Gallery, Hamburg, Jungfernstieg 26+28, Hamburger Hof Einkaufspassage
Info: 040 32901980
info@mikikosatogallery.com
www.mikikosatogallery.com/
Ken'ichiro Taniguchi, Hecomi Study, The exploration of Sapporo’s shape 2018
© Tsubasa Fujikura & City of Sapporo / Sapporo Cummunity Plaza
Toshifumi Hirose, Sonniger Tag im Mai, 2021, Styropor, Akrystal, Farbe, 63,5 x 78 x 74cm
© Andreas Weiss
Yumi Nakata Installationsview 2020, Mikiko Sato Gallery
© Andreas Weiss
Yumi Nakata, Near and Far (IN THE OFFICE), 2021, Öl auf Leinwand, 53 x 45.5 cm
© Courtesy Mikiko Sato Gallery
Keníchiro Taniguchi, Ausstellungsansicht, 2019, Hekomi & City Study #40
© Andreas Weiss